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Der Senator für Finanzen

Rede von Bürgermeister und Finanzsenator Hartmut Perschau zur Verabschiedung des Doppelhaushalts 2000 / 2001 in der Bremischen Bürgerschaft

06.06.2000

Es gilt das gesprochene Wort!

In seiner Rede zur Verabschiedung des Doppelhaushalts 2000 / 2001 führte Bürgermeister und Finanzsenator Hartmut Perschau heute (6.6.2000) in der Bremischen Bürgerschaft unter anderem aus:

"Warum müssen wir eine Sanierungspolitik betreiben und warum gibt es aus unserer Sicht keine sinnvolle Alternative zu dieser Sanierungspolitik? Grundlage eines politischen Konzepts muss eine präzise Analyse der jeweiligen Ausgangssituation sein.

Unsere Ausgangslage ist gekennzeichnet von zwei zentralen Fakten:

Die Freie Hansestadt Bremen hat zwei Jahrzehnte den Strukturwandel verschleppt und sie hat ein Investitionsdefizit von rund sechs Milliarden Mark entstehen lassen, das wir langsam abbauen.

Alleine deshalb weist das Land Bremen einen erheblichen ökonomischen Wachstumsrückstand auf. Insbesondere in den 80er Jahren hatte sich Bremen in wesentlichen Strukturdaten von der Entwicklung in den westlichen Bundesländern und Gemeinden abgekoppelt und war weit hinter den Durchschnitt zurückgefallen.

Dementsprechend führte eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit zu überdurchschnittlich hohen Arbeitsmarkt- und Sozialhilfekosten. Gleichzeitig bewirkte das Modernisierungsdefizit, dass sich die notwendige regionale und überregionale Sogwirkung nicht entfaltete und führte damit zu unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen.

Eine nicht ausreichende Ausweisung von Gewerbeflächen und Wohngebieten trug dazu bei, die Abwanderung aus Bremen zu befördern, was wiederum zu sinkenden Einnahmen führte.

Hohe konsumtive Ausgaben, niedrige Einnahmen – das hat über zwei Jahrzehnte wesentlich dazu beigetragen, den Schuldenberg aufzutürmen, den die Opposition heute beklagt.

Ziel: Fremdes Kapital nur noch für Investitionen

Ziel der Sanierungspolitik des Senats ist, im Jahr 2005 einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Dieser hängt nicht von der Höhe des Schuldenstandes ab, sondern vom Abbau des strukturelle Defizits. Um einen verfassungskonformen Haushalt zu erreichen, muss deshalb das konsumtive Defizit von derzeit rund 800 Millionen Mark auf Null reduziert werden. Das zentrale Problem des Haushalts ist deshalb nicht der Schuldenstand als solcher, sondern das strukturelle Defizit.

In den Jahren 1994 bis 1999 erhielt Bremen einen gleichmäßigen jährlichen Sanierungsbetrag von 1,8 Milliarden Mark. In der zweiten Sanierungsphase bis zum Jahr 2005 sind die Sonder-Bundesergänzungen degressiv ausgestaltet. Nach 1,8 Milliarden Mark in 1999 reduzieren sich die Zahlungen um 200 Millionen Mark jährlich. Dies führt dazu, dass wir uns ab dem Jahr 2000 wieder neu verschulden müssen, denn dann ist der Sanierungsbetrag von 1,6 Milliarden Mark niedriger als unsere geplante Nettokreditaufnahme. Aufgrund der sinkenden Sanierungsbeiträge steigt der Schuldenstand bis zum Ende des Sanierungszeitraums.

Diese Tatsache wird von vielen Kritikern als Beweis angesehen, dass die Sanierung gescheitert sei. Diese Sicht der Dinge ist völlig abwegig. Denn das Ziel der Überwindung der extremen Haushaltsnotlage liegt nicht darin, die Neuverschuldung auf Null herunter zu fahren. Vielmehr ist der erste Schritt der Konsolidierung der bremischen Haushalte, das Mindestziel eines verfassungskonformen Haushalts zu erreichen. Das heißt, dass wir uns nur noch fremden Kapitals in Höhe der Investitionen bedienen. Es wäre vermessen zu glauben, dass die Sanierung des Landes Bremen in diesem Stadium bereits zu einem ausgeglichenen Haushalt führen könnte. Die Kritik der Opposition ignoriert vorsätzlich die Fakten. Die Anforderung der Verfassungkonformität in 2005 zu erreichen ist schwierig genug.

Ursachen der Schuldenmisere beseitigen

Bereits in der Analyse der Ausgangslage stimmen Senat und Opposition nicht überein. Unser “zentrales Problem” ist nicht der Schuldenstand als solcher, wie es Bündnis 90/Die Grünen unterstellen. Unser zentrales Problem und damit unsere zentrale Aufgabe ist es vielmehr, die Ursachen der bremischen Schuldenmisere zu beseitigen.

Die Große Koalition hat den beschriebenen Fehlentwicklungen entschieden gegengesteuert. So haben wir die Investitionsausgaben alleine 1999 um sechs Prozent gesteigert, während sie in den westlichen Bundesländern und Gemeinden durchschnittlich nur um 0,4 Prozent anstiegen. Durch nachhaltige Verbesserung der öffentlichen Infrastrukturen fördern wir die Investitions- und Produktionsbedingungen der regionalen Wirtschaft, um zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze beizutragen und eine dauerhafte Stabilisierung der Haushalte zu erreichen.

Nur mit einer offensiven Politik werden wir die unverzichtbaren Strukturveränderungen erreichen. Nur mit diesem Weg geben wir den Arbeitslosen und den Sozialhilfeempfängern in Bremen eine Perspektive. Wer Investitionen zurückschraubt, wird das Gegenteil erreichen: Firmen werden ins Umland abwandern, die Sozialleistungen weiter steigen. Das wäre verheerend für den Staatshaushalt und würde die Minderausgaben für gesparte Zinsen aufgrund getilgter Schulden um ein Vielfaches übertreffen. Daher lege ich Wert auf die Feststellung: Die Alternative zu einem ISP-Projekt kann immer nur ein anderes ISP-Projekt sein.

Das Ergebnis jahrzehntelanger Fehlsteuerung lässt sich dabei nicht auf Knopfdruck korrigieren. Verzögerungen sind zwangsläufig und logisch: Produktivitätsrückstände und Kapazitätsunterauslastungen aufgrund der Defizite der vergangenen Jahre müssen überwunden werden. Von der Planung eines Wohngebietes bis zum Bezug der ersten Wohnungen vergehen erfahrungsgemäß mindestens drei bis vier Jahre, bis zum vollständigen Bezug zehn bis 15 Jahre. Dies ändert nichts daran, dass die Erwartungen an einen Beschäftigungs- und Einwohnerzuwachs begründet und realistisch sind.

Weder schlecht machen noch schönreden

Es nützt den Menschen in unserem Land auch nichts, wenn die Opposition versucht, alles kaputt zu reden und apodiktisch alles für gescheitert und erfolglos erklären.

Lassen Sie mich deshalb darauf hinweisen, dass wir alleine in den ersten vier Monaten dieses Haushaltsjahres eine spürbare Entlastung des Arbeitsmarktes zu verzeichnen haben. Sie ist gekoppelt mit überdurchschnittlichen Umsatzsteigerungen sowohl im Verarbeitenden Gewerbe als auch beim Seegüterumschlag in den bremischen Häfen.

Die Arbeitslosenquote des Landes Bremen nach vier Monaten des Jahres 2000 mit 14,3 Prozent um 1,8 Prozent-Punkte unter dem Vorjahreswert und weist damit einen deutlich stärkeren Rückgang auf als der Bundesdurchschnitt, der bei –1,1 Prozent-Punkten liegt. Sehr positiv ist auch die Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten: Erstmals seit Jahren wurde im Land Bremen im 2. Quartal 1999 gegenüber dem Vorjahreswert wieder ein Zuwachs registriert.

Der Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe hat sich in den ersten beiden Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreswert um 22,5 Prozent erhöht. Auch der Seegüterumschlag weist eine positive Tendenz auf: Gegenüber dem Vorjahreszeitraum betrug der Zuwachs bis Ende März 1999 insgesamt 27,9 Prozent.

Auch in der Tourismusbranche setzt sich die Dynamik der letzten Monate unvermindert fort: Im Jahr 1999 gab es gegenüber 1998 bei den Übernachtungen im Lande Bremen einen Zuwachs um 9,4 Prozent. Im Zeitraum Januar bis Juni hatte dieser Wert gegenüber dem Vorjahr noch 4,3 Prozent betragen. Auch das Gastgewerbe konnte erstmals wieder ein Umsatzplus von 3 Prozent gegenüber 1998 verbuchen.

Hier machen sich nicht zuletzt die touristischen Aufwertungen im Rahmen des Investitionssonderprogramms bemerkbar.

Da die Alternative zum Kaputtreden und Schlechtmachen nicht das Schönreden sein kann, versäume ich nicht zu erwähnen, dass die Einwohnerverluste im Land Bremen auch im vergangenen Jahr angehalten haben. Im Saldo verringerte sich die Bevölkerung bis Dezember gegenüber dem Vorjahreswert um 0,7 Prozent, das sind knapp 4.900 Einwohner. Bremerhaven weist hier mit einem Rückgang von 1,5 Prozent weiterhin stärkere Verluste auf als die Stadtgemeinde Bremen mit –0,5 Prozent. Allerdings ist im Laufe des Jahres eine leichte Stabilisierung festzustellen: so konnten in der Stadtgemeinde Bremen die Wanderungsverluste zumindest vorübergehend gestoppt werden.

Bremische Wirtschaft holt auf

Die Wachstumsimpulse des Investitionssonderprogramms und die Aufholprozesse der regionalen Wirtschaft führen zu einem spürbaren Anstieg der Beschäftigtenzahlen innerhalb der Landesgrenzen und damit zur Entlastung des regionalen Arbeitsmarktes. Gleichzeitig werden unsere Anstrengungen für den Wohnungsbau und die Gewerbegebiete auch die Einwohnerentwicklung stabilisieren und zum Zuwachs führen. Die Entwicklung der Einwohnerzahlen zeigt aber auch, wie wichtig es ist, ein ausreichendes und konkurrenzfähiges Wohnungs- und Flächenangebot zur Verfügung zu stellen".