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Wohnungseinbrüche

25.09.2013

Im Jahr 2011 stieg die bereits hohe Zahl der Wohnungseinbrüche noch einmal sprunghaft im Land Bremen an. Ähnliche Tendenzen gab es auch in anderen Bundesländern. Die Polizeibehörden in Bremerhaven und Bremen nahmen die beunruhigenden Zahlen zum Anlass, ihre Ermittlungs- und Einsatztaktik von Grund auf zu überprüfen und die Bekämpfung des Wohnungseinbruchs ab sofort zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit zu machen. Dabei bestand von Anfang an ein enger Austausch mit der Justiz. Darüber hinaus wurden auch weitere Ressorts mit einbezogen.

Als weiterer Baustein wurde der Jurist und Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Feltes aus Bochum beauftragt, die Bearbeitung von Einbruchsdiebstählen von der Anzeigenaufnahme, der Tatortarbeit bis zur Verurteilung anhand von 103 zufällig ausgesuchten Fällen aus Bremen und Bremerhaven zu analysieren. Die Untersuchung mit Unterstützung von Fachleuten aus der Staatsanwaltschaft, der Kriminalpolizei und des Gerichts wurde vor kurzem abgeschlossen.

Zusammenfassend kommt Prof. Dr. Feltes zu folgenden Ergebnis: "Der Einbruchdiebstahl ist noch stärker als andere Delikte abhängig von individuellen wie gesellschaftlichen sozialen Entwicklungen. Er stellt für potenzielle Täter häufig die einzige Möglichkeit dar, ohne Gewaltanwendung an Geld zu kommen".
"In Verbindung mit der niedrigen Aufklärungsquote ergibt sich ein gesellschaftliches Problem, das als polizeiliches wahrgenommen wird, dessen Ursachen aber in sozialen Rahmenbedingungen liegen. Daher müssen präventive Maßnahmen bei diesen Rahmenbedingungen ansetzen".

Die Zahl der Einbruchdiebstähle war bundesweit, so auch im Bundesland Bremen, bis zum Jahr 2005 stark zurückgegangen, bevor sie seit dieser Zeit wieder ansteigt. Allerdings ist in Deutschland das Risiko Opfer eines Einbruchdiebstahls zu werden im internationalen Vergleich mit 24 europäischen Ländern mit am niedrigsten.

Die Auswirkungen der Einbruchdiebstähle für die Opfer sind jedoch massiv, zum Teil sogar dramatisch. "Die im Rahmen des Projektes durchgeführte Opferbefragung hat – in Übereinstimmung mit anderen Studien - gezeigt, dass der Einbruchdiebstahl schwere und lang anhaltende Folgen hervorrufen kann".

Ressortübergreifende Workshops
Parallel zur Aktenanalyse von Prof. Dr. Feltes wurden Workshops mit Vertretern aus der Justiz, der Staatsanwaltschaft, der Sozialbehörde und der Polizei veranstaltet. Wie zum Beispiel der Workshop: "Jugendliche als Täter".

Prof. Dr. Feltes attestierte der Polizei Bremen und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven in diesem Bereich "sehr gut aufgestellt" zu sein. So gibt es ein ausgefeiltes Konzept für Ersttäter, Schwellentäter und Intensivtäter unter Jugendlichen sowie ein abgestuftes Interventionskonzept, das mit sogenannten ‚Normenverdeutlichenden Gesprächen‘ beginnt. D.h. ein Kontaktbeamter sucht den jugendlichen Ersttäter zu Hause auf, macht ihm die Folgen seines Handels klar, vermittelt gegebenenfalls weitere Ansprechpartner und macht deutlich, dass die Polizei ihn weiter im Auge behält.

Bei wiederholter Straffälligkeit und der Gefahr in eine kriminelle Karriere hineinzugleiten, sieht das Konzept weitergehende Maßnahmen wie z.B. Risikomitteilungen an das Amt für Soziale Dienst bzw. in Bremerhaven an das Amt für Jugend, Familie und Frauen und Gefährderansprachen vor. (Ein sogenannter Gefährder stellt eine hohe, potenzielle Gefahr dar, straffällig zu werden. Polizisten suchen diese Personen bei einer Gefährderansprache persönlich auf und machen ihnen unmissverständlich klar, dass die Polizei sie im Blick behält).

Prof. Dr. Feltes: "Das Bundesland Bremen ist im Bundesvergleich zudem ausgesprochen weit, was die Verknüpfung von Sozialdaten und Kriminaldaten in einem bestimmten Wohnquartier betrifft. So können Faktoren wie fehlende Schulabschlüsse, geringes Einkommen, Familienstand und Kriminalitätsdaten für ein Quartier übereinander gelegt werden. Daraus ergibt sich ein genaues, kleinräumiges Lagebild, aus dem sich konkrete Ansatzpunkte für präventives Handeln ergeben".

Bei der Aktenanalyse von Feltes kam zusammenfassend heraus,

  • dass die Verfahrensdauer in Bremen und Bremerhaven, bis auf Einzelfälle, nicht ungewöhnlich lange beträgt
  • dass keine typischen oder wiederkehrenden Mängel bei den Ermittlungen festzustellen waren
  • dass über die Täter nur wenige valide Aussagen zu treffen sind, da ein Großteil der Täter bei Wohnungseinbrüchen (auch bundesweit) nie ermittelt wird.

Vorschläge von Prof. Dr. Feltes nach Analyse der Arbeitsabläufe und Workshops:

  • Auslösefaktoren sogenannter kriminogener Faktoren minimieren, wie zum Beispiel unzureichende Bildung, geringe Teilhabechancen, Alkohol, Drogen
  • Die Vorreiterrolle, die die Polizeien im Bundesland Bremen im Bereich der Erstellung und Auswertung sog. geobasierter Daten hat, sollte weiter ausgebaut werden, um räumliche Kriminalitätsbrennpunkte früher und besser zu erkennen
  • Ausbau der "bereits vorbildlichen bürgerorientierten Polizeiarbeit"
  • Neben den Täter auch die Tatörtlichkeiten stärker in den Blick nehmen, um Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten von Kriminalität zu erkennen
  • Betreuung von Opfern (Gesprächsangebote, Beratung, Information)
  • Vermeintliche Hehler künftig gezielt aufsuchen und kontrollieren.

Parallel zur Studie von Prof. Feltes hatten die Polizei Bremen und die Ortspolizeibehörde Bremerhaven bereits Ende 2011 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes große Teile der beiden Polizeien auf den Wohnungseinbruch zu fokussieren. Die Veränderung von Abläufen und die Verbesserung von Standards im Einsatz- und Ermittlungsbereich sowie die Verstärkung der präventiven Maßnahmen war die Folge.

Für die Polizei Bremen wurden folgende konkrete Maßnahmen durchgeführt:

  • Die Verbesserung der Tatortarbeit durch eine Verstärkung der Spurensuche
  • Einrichtung spezieller Ermittlungsgruppen in Brennpunkten von Wohnungseinbruch wie im Bremer Westen und in Bremen-Nord
  • Nutzen der Ermittlungsgruppe Bremen-Oldenburg (GEBO), um Täter, die länderübergreifend agieren, zu ermitteln sowie die Einrichtung weiterer temporärer länderübergreifender Ermittlungsgruppen mit dem Schwerpunkt Einbruch
  • "Mit den Augen des Täters" - Begehung von betroffenen Quartieren durch Polizeibeamte, die auf gekippte Fenster, schlecht gesicherte, dunkle Eingänge etc. achten und Hausbewohner beraten und informieren
  • Gezielte Gefährderansprache von Einbrechern, nachdem sie aus der Haft entlassen werden
  • Besuch und Beratung von Einbruchsopfern durch Beamte, um künftig weitere Einbrüche zu vermeiden
  • gezielte Fortbildung von Einsatzkräften und Ermittlern
  • Rückmeldung der Staatsanwaltschaft an die Polizei über Ausgang eines Verfahrens, um mögliche Schwachstellen in der Ermittlungsführung zu finden und zu beheben

Erste Erfolge:
Bei den Wohnungseinbrüchen gingen die Fallzahlen von Januar bis August 2013 zum Vergleichszeitraum 2012 in Bremen Stadt um rund 20 Prozent zurück. Damit ist in Bremen eine positive Entwicklung entgegen dem negativen Bundestrend bei Wohnungseinbrüchen festzustellen.

Die Ortspolizeibehörde Bremerhaven reagierte mit folgenden Maßnahmen:

  • Einrichtung einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO) innerhalb der Polizei, die über eine spezielle Ermittlungsgruppe hinausgeht und alle Bereiche der Polizei beinhaltet
  • Einrichtung von Gefahrenorten zur Entschärfung von Brennpunkten
  • Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Ortspolizeibehörde Bremerhaven mit der Polizeiinspektion Cuxhaven. Sie befasst sich mit den Tätern, die über die Stadt- bzw. Landesgrenze hinaus agieren
  • Seit dem 28.09.2011 gibt es den "Runden Tisch Einbruch"
  • Mitglieder sind: Oberbürgermeister Grantz, Stadträte Rosche und Lückert, Justiz Bremen und Bremerhaven, Gesamtverband Deutscher Versicherer, Staatsanwaltschaft, Weißer Ring, Bewährungshilfe, Jugendgerichtshilfe, Präventionsrat, Polizei Bremerhaven, Polizei Bremen
  • In den Sitzungen wird das aktuelle Lagebild dargestellt. Neben den Daten der Polizei fließen Aspekte aus der Justiz, Bewährungshilfe und der Jugendgerichtshilfe ein. Die Zusammenarbeit der Institutionen wird verabredet, konkrete Maßnahmen werden abgestimmt.


Aus den Sitzungen heraus entstand:

  • Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachen (KFN) führt eine dezidierte Untersuchung zu diesem Thema durch, an der sich neben der Stadt Bremerhaven noch weitere deutsche Städte beteiligen. Nach derzeitigem Stand sind dies Berlin, Stuttgart, München und Hannover. Das Projekt ist auf eine Dauer von drei Jahren ausgelegt, es werden jährlich Zwischenberichte erstellt. Ziel des Projektes ist eine Verbesserung des Schutzes der Bürger vor Wohnungseinbrüchen.

Im Rahmen der KFN-Studie werden die regionalen Unterschiede z. B. hinsichtlich der Aufklärungsquoten sowie der Verurteilungswahrscheinlichkeit verglichen und hinterfragt. Dazu erfolgen eine Aktenanalyse, eine Experten- sowie eine Opferbefragung. Im Rahmen einer Aktenanalyse werden pro beteiligte Stadt 900 Akten ausgewertet. Die Expertenbefragung wird Erkenntnisse von Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern aus den jeweiligen Städten beinhalten. Im Rahmen der Opferbefragung werden 500 Geschädigte eines Wohnungseinbruchs pro beteiligte Stadt interviewt werden.

Die Aktenauswertung ist derzeit fast abgeschossen. Diese bundesweite Studie wurde durch den Runden Tisch angeregt.

  • Die bereits gute Zusammenarbeit in Bremerhaven zwischen der Polizei, Justiz, Bewährungshilfe und Jugendgerichtshilfe wurde durch den Runden Tisch weiter vernetzt und die Koordination der Maßnahmen verbessert
  • Es ist zwischen der Polizei und Staatsanwaltschaft ein Qualitätsmanagement entwickelt, sowie weitere Verfahrensabläufe im Umgang mit Intensivtätern und jugendlichen Straftätern verabredet
  • Veränderung im Bereich des Ermittlungsdienstes der Polizei:

Aufgrund der Veränderungen in den verschieden Phänomen-Bereichen, sowie unter dem Eindruck der Kriminalitätsentwicklung, z. B. der Einrichtung mehrerer Sonderkommissionen, wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt, Verbesserungsvorschläge zur Optimierung des Ermittlungsdienstes zu erarbeiten. Dabei sind ausdrücklich die ausführenden Ebenen von Kriminal- und Schutzpolizei beteiligt worden. Die erarbeiteten Vorschläge werden nunmehr im Rahmen eines Projektes umgesetzt. Das bedeutet, dass der Wohnungseinbruch wie aber auch andere Teile der Massenkriminalität von der Kriminalpolizei in die Polizeikommissariate verlagert werden. Gleiches gilt für die Intensivtätersachbearbeitung. Hier wird zukünftig analog des erfolgreichen Konzepts zur Jugendsachbearbeitung eine personenbezogen orientierte Sachbearbeitung in den Polizeikommissariaten gewährleistet. Sachbearbeiter werden „kriminelle Karrieren“ von Anfang an begleiten. Der Probelauf wird auf 12 Monate festgelegt und durch Controlling und Evaluierung begleitet.

Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Präventionsrates Bremerhaven mit der Zielrichtung:

  • Verbesserung von sozialen Netzwerken
  • Sozialarbeiter geben Anregungen / Sensibilisierung in Sachen Einbruchschutz im Stadtteil Lehe
  • Prüfung technischer Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit (App)
  • Schulungen durch die Staatsanwaltschaft über die Möglichkeiten, Jugendliche und Heranwachsende in Untersuchungshaft zu nehmen.
  • Abschluss eines Kooperationsvertrages der Ortspolizeibehörde Bremerhaven mit einer großen Wohnungsbaugesellschaft. Ziel der Kooperation soll die Schaffung eines "Siegels sicheres Wohnen" sein.
  • Intensivierung der polizeilichen Maßnahmen in den Bremerhavener Wohngebieten unter dem Motto: "Gemeinsam Wachsam".

Auch in Bremerhaven hat sich der Trend zum Positiven entwickelt:
Seit Mai dieses Jahres verzeichnet die Ortspolizeibehörde Bremerhaven einen merklichen Rückgang der Zahlen beim Wohnungseinbruch.