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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Senat stellt Gesamtkonzept zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen vor

100.000 Euro für Sofortmaßnahmen und 3,6 Millionen für neue Unterkunft

17.09.2013
Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, und Eva Quante-Brandt, Senatorin für Bildung und Wissenschaft, stellen das Gesamtkonzept vor
Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, und Eva Quante-Brandt, Senatorin für Bildung und Wissenschaft, stellen das Gesamtkonzept vor

Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat heute (17. September 2013) ein Gesamtkonzept zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen beschlossen. Darin beschreibt er, wie die Stadtgemeinde Bremen die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen organisiert. Außerdem stellt er die Weichen für den weiteren Ausbau des Unterbringungssystems sowie der sozialen Stukturen, die zur Integration der Flüchtlinge in die Stadtgesellschaft notwendig sind.

Als Sofortmaßnahme stellt der Senat 100.000 Euro zur Verfügung – für Beratung, Kinderbetreuung, Vorkurse zur Vermittlung von Deutsch-Kenntnissen und Sprachkurse für Erwachsene. Weitergehende Beschlüsse will er Mitte Oktober fassen. Außerdem gibt der Senat 3,6 Millionen Euro für den Bau eines Übergangswohnheimes in der Überseestadt frei und stockt den Bereich Flüchtlingshilfe im Sozialressort um zunächst drei Stellen auf. Weitere 3,6 Millionen Euro für den Bau eines Übergangsheims in der Steingutstraße stellt er vorsorglich bereit, macht aber die Freigabe der Finanzmittel abhängig von einem positiven Beschluss des zuständigen Beirats Vegesack.

"Die Aufnahme von Flüchtlingen und ihre Integration ist mehr als nur eine Verpflichtung, die sich aus dem Grundgesetz und aus der UN-Flüchtlingskonvention ableitet. Sie ist Teil unseres politischen Selbstverständnisses", sagte Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen. "Wir wollen den Flüchtlingen Schutz bieten und sie in unserer Mitte aufnehmen. Dazu gehört nicht nur, dass wir Unterkunft und Verpflegung gewähren. Wir wollen ihnen die Chance geben, in der Mitte unserer Gesellschaft aufgenommen zu werden. Das gilt für den Spracherwerb, der die zentrale Voraussetzung für jede gesellschaftliche Teilhabe ist, wie auch für die Integration in Kindergarten, Schule und Berufsleben."

Eva Quante-Brandt, Senatorin für Bildung und Wissenschaft ergänzte: "Unser Bildungssystem steht vor großen Herausforderungen. Wir wollen Schülerinnen und Schülern, die aus Krisengebieten zu uns kommen, die Chance auf eine echte Integration geben. Das heißt, wer in Bremen ankommt, soll eine Schulbildung genießen, die ihn befähigt, einen Ausbildungsberuf zu ergreifen oder ein Studium aufzunehmen. Dafür werden wir das Angebot an Sprachkursen ausbauen."

Bundesweit rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit rund 100.000 Asylanträgen für das Jahr 2013, das sind mehr als fünfmal so viele wie vor fünf Jahren. Zum Vergleich: Im Jahr 1992 haben über 396.000 Menschen in Deutschland Asyl beantragt (Bremen: 3.960), bis 2007 sank die Zahl auf 19.164 (Bremen: 175). Das Land Bremen nimmt regelmäßig 0,93 Prozent aller Flüchtlinge auf, verteilt im Verhältnis von 80 zu 20 zwischen Bremen und Bremerhaven. In der Stadt Bremen leben derzeit etwa 3700 Asylbewerberinnen und Asylbewerber, davon rund 900 in Einrichtungen.

"Wir wollen, dass Flüchtlinge möglichst bald eine eigene Wohnung beziehen können, weil das die beste Voraussetzung für ihre Integration ist", sagte Anja Stahmann. Daher habe die Stadt die vorgeschriebene Mindestaufenthaltsdauer in Wohnheimen auf drei Monate verkürzt. Berater unterstützen bei der Wohnungssuche, beim Umzug und beim selbständigen Wohnen, und die GEWOBA stellt Wohnungen gezielt für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie geduldete Flüchtlinge zur Verfügung. Außerdem sieht das Wohnungsbauprogramm des Senats ein Kontingent vor für Menschen mit Zugangsproblemen am Wohnungsmarkt. Und schließlich hat die Wohnungswirtschaft jüngst in Aussicht gestellt, pro Jahr 600 Flüchtlingen in Bremen eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Von Januar bis einschließlich August dieses Jahres haben 179 Menschen aus einem Übergangswohnheim eigenen Wohnraum bezogen, im Vergleichszeitraum 2012 waren es 143.

Dennoch muss das System an Übergangseinrichtungen weiter ausgebaut werden. "Ziel sind kleinere Wohneinheiten mit möglichst nicht mehr als 120 Plätzen", sagte Anja Stahmann. Im Jahr 2013 wurden bislang rund 280 zusätzlich Plätze eingerichtet, davon 80 bis 100 durch zusätzliche Betten in bestehenden Einrichtungen. "Das ist eine absolute Notlösung und nur vorübergehend zu vertreten", sagte die Senatorin weiter. Ein neues Übergangswohnheim in der Eduard-Grunow-Straße ist bereits in Betrieb, in der Schule Thomas-Mann-Straße ist befristet eine Notunterkunft eingerichtet worden. 300 bis 400 weitere Plätze seien in diesem Jahr nötig, um die erwarteten Flüchtlinge aufzunehmen und die Überbelegung in den bestehenden Einrichtungen abzubauen. Bis zum Ende des Jahres 2014 würden auf Grundlage heutiger Prognosen weitere 600 Plätzen in Übergangswohnheimen gebraucht, so die Senatorin.

Für den akuten Bedarf steht ab Dezember ein Gebäude im Schiffbauer Weg (Gröpelingen) mit zunächst 60 Plätzen zur Verfügung, die Planungen zum Umbau sind angelaufen, das Geld steht zur Verfügung. Innerhalb der kommenden Wochen und Monate können als Übergangslösungen zudem weitere Plätze in kurzfristig verfügbaren Containern sowie in bestehenden Gebäuden mit geringem Umbaubedarf eingerichtet werden. Die Standorte werden derzeit mit den Beiräten abgestimmt. Vorsorglich wird aber bereits der alte Campingplatz am Stadtwaldsee hergerichtet, damit er im Bedarfsfall ohne Zeitverzug nutzbar ist.

Für das Jahr 2014 sind mit dem heutigen Senatsbeschluss insgesamt 240 Plätze in Mobilbauten in Hemelingen und Walle (Überseestadt) finanziell sowie durch Beiratsvoten abgesichert. Der Beirat Obervieland hat darüber hinaus dem Bau von 80 Plätzen zugestimmt, bevorzugt in Fertighäusern, die Planungen laufen.

Separat zu betrachten ist die Situation der 229 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die derzeit in Bremen leben (und 25 weitere in Bremerhaven). Im Jahr 2012 sind 102 neu in Bremen angekommen, in den ersten sieben Monaten 2013 waren es 120. 59 Plätze wurden im Jahr 2013 neu geschaffen, davon ein gutes Dutzend in Pflegefamilien, und bis zu 50 unbegleitete Minderjährige werden zurzeit in der Zentralen Aufnahme Stelle (ZASt) betreut. Bis zum Jahresende muss mit der Ankunft von bis zu 75 weiteren Minderjährigen gerechnet werden. Rund 110 Plätze können nach derzeitigem Planungsstand in den Jahren 2013 und 2014 eingerichtet werden. Für 2014 ist zudem die Einrichtung einer Clearingstelle mit 35 Plätzen geplant. Dort sollen die spezifischen psychologischen und sozialen Bedarfe der jungen Menschen von fachlich qualifiziertem Personal zentral für das Land Bremen ermittelt werden.

Das Gesamtkonzept zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen sieht zudem den Ausbau der Beratungsdienste bei den Wohlfahrtsverbänden vor, die Flüchtlinge im Auftrag der Stadtgemeinde Bremen begleiten. Sie helfen bei der Wohnungssuche, betreuen nach dem Umzug, geben Orientierungshilfen, unterstützen bei Behördengängen, melden Kinder in Kitas und Schulen an, und sind auch für Außenstehende ansprechbar. Weil davon auszugehen ist, dass der größte Teil der Flüchtlinge nicht nur vorübergehend in der Bundesrepublik aufgenommen wird, finanziert die Stadtgemeinde zudem von Anfang an Kurse zum Spracherwerb. Einen Rechtsanspruch nach Bundesrecht gibt es oft erst nach Jahren.

Die Betreuung von Kindern aus Flüchtlingsfamilien findet bevorzugt in Kindergärten und Krippen statt, zusätzliche fachliche Unterstützung der Einrichtungen wird ermöglicht. Für Kinder in Übergangswohnheimen steht alternativ ein eigenes Spielkreisangebot vor Ort zur Verfügung, die geplanten Mobilbauten sehen den Platz dafür bereits vor, Fachkräfte für die Betreuung werden im weiteren Ausbau bedarfsgerecht eingestellt.

Schulpflichtige Kinder und Jugendliche in der Erstaufnahme- bzw. Notaufnahmeeinrichtung werden derzeit über zwei Hauslehrkräfte der Senatorin für Bildung und Wissenschaft unterrichtet. Kinder und Jugendliche der Übergangswohneinrichtungen besuchen in der Regel wohnortnahe Vorkurse und/oder Regelklassen. Die Lehrkräfte in Vorkursen sind speziell qualifiziert für "Deutsch als Zweitsprache". Die Vorkurse dauern, je nach Alter der Flüchtlinge, sechs oder zwölf Monate. Im Schuljahr 2012/2013 gab es für Grundschüler an 15 Schulen je einen Kurs für jeweils zehn Kinder. Ab Klasse fünf gab es 22 Kurse an 16 Schulen mit je 15 Schülerinnen und Schülern. Sie alle werden parallel sehr früh in regulären Schulklassen aufgenommen. Die Zahl der Vorkurse ist im aktuellen Schuljahr aufgestockt worden und wird weiter bedarfsgerecht wachsen.

An ausgewählten Oberschulen (ab Klasse fünf) gibt es zudem Alphabetisierungskurse, um im Bedarfsfall Schülerinnen und Schüler auf den Übergang in Vorkurse beziehungsweise Regelklassen vorzubereiten. Die individuelle Verweildauer in den Kursen beträgt maximal ein Jahr. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge über 16 Jahre besuchen in der Regel die Allgemeine Berufsschule (ABS), wo besondere Berufswahlvorbereitungskurse mit Sprachförderung eingerichtet sind. Ziel ist ein anerkannter Schulabschluss. Im vergangenen Schuljahr gab es zehn Kurse mit je circa 15 Schülerinnen und Schülern, die Zahl der zusätzlich einzurichtenden Plätze orientiert sich am jeweiligen Bedarf.

Erwerbstätigkeit von Flüchtlingen ermöglicht die Integration in die Gesellschaft am effektivsten und verringert zudem die Sozialausgaben. Deshalb spricht sich der Senat dafür aus, dass das Arbeitsverbot aufgehoben wird, das für einen Teil der Flüchtlinge gilt. Für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete sollte der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Unabhängig davon können Flüchtlinge an allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmen und sich für das Erwerbsleben in Bremen qualifizieren.

Der Senator für Inneres und Sport hat zudem eine Regelung erlassen, die es unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen erlaubt, ihre Schul- oder Berufsausbildung abzuschließen oder bis zum Alter von 21 Jahren eine Berufsausbildung aufzunehmen. Anschließend kann ihnen eine Aufenthaltserlaubnis „für qualifizierte Geduldete“ erteilt werden, was ihnen eine dauerhafte Lebensperspektive in Deutschland eröffnet.

Refugio e.V. bietet als psychosoziales Behandlungszentrum ambulante, spezialisierte Beratung und psychotherapeutische Behandlung für Flüchtlinge und Folterüberlebende an. Die Fachkräfte erreichen jährlich etwa 200 traumatisierte oder von Traumafolgeerkrankungen bedrohte Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Beratung und Therapie werden bei Bedarf mit Unterstützung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie Kulturmittlerinnen und –mittlern muttersprachlich durchgeführt, für die Betroffenen entstehen keine Kosten. Im Kinder- und Jugendbereich stehen jährlich etwa 60 Behandlungsplätze zur Verfügung. Refugio kooperiert zudem mit Fachkräften aus den Bereichen Recht, Bildung, Gesundheit und Soziales. Die Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen wird die Förderung von Refugio aufstocken.

Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien haben schließlich die Möglichkeit, über das Bildungs- und Teilhabepaket an Angeboten von Sportvereinen teilzunehmen. Der Senator für Inneres und Sport hat den Landessportbund gebeten, für die Integration über den Sport aktiv zu werben – als Teilnehmende oder auch als Trainerin oder Trainer.

Die Vorlage für die Sitzung des Senats vom 17. September 2013 findet sich hier... (pdf, 304.8 KB)

Foto: Senatspressestelle