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Senatskanzlei

Der Senatssaal strahlt mit einem neuen Teppich im alten Glanz

Ruderinnen und Ruderer trugen den 800 Kilo schweren Bodenbelag ins Rathaus

07.08.2012

„Eine rundum gelungene win-win-Aktion“, nannte heute Bürgermeister Jens Böhrnsen die Ankunft des neuen Teppichs im Senatssaal des Bremer Rathauses. „Unter strenger Einhaltung aller positiven Kriterien an Arbeitsplätze insbesondere auch für Frauen wurde der Teppich in Nepal geknüpft, freiwillige Bremer Ruderer und Ruderinnen haben das Riesenwerk in das Rathaus gewuchtet und der Bund hat sich mit einem finanziellen Beitrag beteiligt, um das Erbe der Menschheit weiter zu pflegen.“ Fünf Bremer Vereine (Bremer Ruderclub Hansa e.V., Bremer Ruderverein von 1882 e.V., Bremer Sport-Club e.V. Ruderabteilung, Vegesacker Ruderverein e.V. und der Bremerhavener Ruderverein von 1889 e.V.) hatte der Bürgermeister angeschrieben und um Hilfe gebeten, 40 Ruderinnen und Ruderer haben heute (7.8.2012) den neuen 14 Meter langen Teppich für den Senatssaal ins Rathaus getragen.

Bürgermeister Böhrnsen, der 1. Vorsitzende des Landesruderverbandes Redelf Janssen und Martin Kath, Seniorchef der Firma Jan Kath (v.l.n.r.)
Bürgermeister Böhrnsen, der 1. Vorsitzende des Landesruderverbandes Redelf Janssen und Martin Kath, Seniorchef der Firma Jan Kath (v.l.n.r.)

Das kunstvolle Werk umfasst nahezu 160 Quadratmeter, wurde komplett in einem Stück geknüpft und wiegt stattliche 800 Kilogramm. Kein Leichtgewicht also, das durch den Eingang zur Unteren Rathaushalle ins Haus gebracht wurde, mit viel Augenmaß um Kurven im Treppenhaus herum manövriert und die breite Treppe zum Festsaal hinaufgetragen werden musste. Jetzt schmückt der kunstvoll gearbeitete Bodenbelag wieder den Senatssaal – ganz so, wie es Rudolf Alexander Schröder vor fast 100 Jahren erdacht hatte. Nach seinem Entwurf war 1913 zur Eröffnung des Neuen Bremer Rathauses der Senatssaal mit dem Originalteppich ausgelegt und vor 25 Jahren zum ersten Mal erneuert worden.

Sieben Monate lang hatten 15 Frauen und Männer zeitgleich an dem Teppich in den Werkstätten des Bochumer Teppichdesigners Jan Kath in Nepal geknüpft und insgesamt 19 Millionen Knoten entstehen lassen. Im Rathaus ist man über die Arbeit begeistert: „Er sieht exakt aus wie der alte, wunderbar in den Farben, und die Knüpfdichte ist exzellent“, freut sich der Bürgermeister. Gekostet hat die Neuanfertigung rund 110.000 Euro. Dafür hatte die Senatskanzlei Bundesmittel aus dem Förderprogramm für nationale UNESCO-Welterbestätten eingeworben - rund 100.000 Euro.

Bevor der Teppich für den Transport aufgerollt werden konnte, musste er einmal auf dem Grasmarkt ausgerollt werden
Bevor der Teppich für den Transport aufgerollt werden konnte, musste er einmal auf dem Grasmarkt ausgerollt werden

Den Erwerb des neuen Rathaus-Schmuckstücks wickelte die Abteilung Eigenplanung Bau von Immobilien Bremen ab, die für den Bauuterhalt und Instandsetzungsarbeiten der Freien Hansestadt Bremen zuständig ist. Kein alltäglicher Auftrag angesichts der wenigen Importeure, die über Kontakte zu geeigneten Werkstätten für eine derart umfangreiche Produktion verfügen. Zudem mussten mögliche Lieferanten eben auch versichern, den Anforderungen des Bremischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandard und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe zu genügen, das unter anderem Kinderarbeit ausschließt.

Angesichts dieser strengen Vorgaben ging auf die 2011 nach aufwändiger Vorarbeit gestartete Ausschreibung von Immobilien Bremen in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalschutz und dem Umweltsenator unter sieben Fachfirmen nur ein Angebot bei Immobilien Bremen ein. Dabei handelte es sich um die Offerte des in Bochum angesiedelten Unternehmens Jan Kath. Die Firma bekam den Auftrag zur Neuanfertigung des Teppichs. Dabei war die Einhaltung der Richtlinien des Bremischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandard und Wettbewerb ein wichtiges Kriterium. Das bedeutet, dass Hersteller Arbeitsnormen sowie soziale und ökologische Standards einhalten müssen. Der Betrieb mit eigenen Werkstätten in Nepal hat sich seit 2004 auch den Richtlinien der Schweizer Organisation „Label Step“ verpflichtet, das unter anderem für faire Bedingungen in Produktion und Handel von handgefertigten Teppichen ohne Kinderarbeit und die Förderung ökologisch verträglicher Herstellungsverfahren steht.

Schwerstarbeit auf dem Grasmarkt: Der Teppich wird aufgerollt
Schwerstarbeit auf dem Grasmarkt: Der Teppich wird aufgerollt

In den Werkstätten in Nepal sind nach Angaben Kaths die Arbeitsplätze sicher, die Arbeitsbedingungen gehören zu den besten im Land. Die Löhne der Knüpferinnen und Knüpfer liegen deutlich über dem Branchendurchschnitt und dem staatlichen Mindestlohn. Zudem werden Unterkünfte zur Verfügung gestellt und die Schulkosten von Kindern finanziert. Auf dem Firmengelände befinden sich eine Kindertagesstätte sowie eine Krankenstation. Beim Färben der Wolle und Seide wird auf den Einsatz von umweltfreundlichen Farbstoffen geachtet.

Vor der eigentlichen Produktion des Ratshaus-Teppichs hatte Immobilien Bremen ein Musterstück bei Jan Kath in Auftrag gegeben. Das Exponat entsprach optisch dem Entwurf von Rudolf Alexander Schröder, wies jedoch eine größere Knüpfdichte auf. Im Juni 2011 nahm eine Experten-Kommission in Bremen das Probestück vor der endgültigen Austragsvergabe kritisch in Augenschein. Farbauswahl und Muster mussten nach der Prüfung anhand eines im Focke-Museum aufbewahrten Originalstücks nur geringfügig nachgearbeitet werden.

Ebenso sorgfältig wie die Herstellung in Nepal fielen die vorbereitenden Arbeiten im Bremer Rathaus aus. Denn um dem neuen Teppich einen standesgemäßen Untergrund zu verschaffen, musste der Fußboden im Senatssaal zuvor in mühevoller Handarbeit saniert und instand gesetzt werden. Baufachleute von Immobilien Bremen hatten bei einer Untersuchung des vor nahezu 100 Jahren verlegten Estrichs festgestellt, dass die mehrere Zentimeter starke Gipsschicht an etlichen Stellen gerissen und ramponiert war. In enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege wurden die Schäden von der Firma Freese beseitigt und der Raum danach mit Vliesgittermatten ausgelegt.

Fotos: Senatspressestelle