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Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit

Gegen die informationelle Fremdbestimmung

Die Landesbeauftragte stellt 34. Datenschutzbericht und 6. Informationsfreiheitsbericht vor

16.03.2012

Ein Bremer fegt die Treppen vor dem Dom. Am nächsten Morgen gratuliert ihm seine Kollegin nachträglich zum 30. Geburtstag, obwohl er am Arbeitsplatz immer peinlich genau darauf geachtet hatte, sein Alter geheim zu halten. Auch wurde seine Fege-Aktion außer von seinen Freundinnen und Freunden nur von ein paar Touristinnen beobachtet. Wie konnte die Kollegin trotzdem davon erfahren? Die Antwort ist einfach: Eine der Touristinnen hat ein Foto von unserem Bremer ins Internet gestellt. Ein Gesichtserkennungsprogramm hat ganze Arbeit geleistet und die Kollegin hat gerade an diesem Morgen im Internet nach Bildern unseres Bremers gesucht. Dass die Touristin das Foto ins Internet gestellt hat, ohne den Abgebildeten zu fragen, ist ein Akt der informationellen Fremdbestimmung.

Dies ist ein nicht sehr unrealistischer, aber fiktiver Fall. Fälle, die sich tatsächlich im Jahr 2011 zugetragen haben, finden sich in den Tätigkeitsberichten, die die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Dr. Imke Sommer, am heutigen Freitag vorgelegt hat. „Als Datenschutzbehörde schützen wir das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. In unserem Bericht finden sich viele Fälle, in denen im vergangenen Jahr in Bremen und Bremerhaven nicht die Menschen selbst, sondern andere darüber bestimmten, wer wann was über sie wusste.“

Informationelle Fremdbestimmung fand beispielsweise statt, als die Meldebehörde die Daten eines Menschen, für den eine Melderegistersperrung eingetragen war, an ein Inkassounternehmen weiterleitete, obwohl er der Meldebehörde nachgewiesen hatte, dass die entsprechende Forderung nicht bestand. Es war auch informationelle Fremdbestimmung, als eine Fotografin in einem städtischen Klinikum die Information über alle Mütter von Neugeborenen erhielt, ohne dass diese darin eingewilligt hatten. Auch die E-Mail-Versendung von sensiblen Schülerdaten durch eine bremische Privatschule, die Übermittlung von personenbezogenen Daten vom Vermieter an das Jobcenter und das Postieren von Urlaubsgenehmigungen ohne Briefumschlag in offene Postfächer verstießen gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Dasselbe gilt für die Missachtung von Werbewidersprüchen, unzulässige Telefonwerbung und unzulässige Videoüberwachung. Auch sie sind Ausdruck informationeller Fremdbestimmung.

Die Landesbeauftragte Dr. Imke Sommer überreicht Bürgermeister Jens Böhrnsen den 34. Datenschutzbericht und 6. Informationsfreiheitsbericht
Die Landesbeauftragte Dr. Imke Sommer überreicht Bürgermeister Jens Böhrnsen den 34. Datenschutzbericht und 6. Informationsfreiheitsbericht

Die Landesbeauftragte sagte hierzu: „Diese Fälle zeigen, dass das Recht der Menschen darauf, selbst über ihre Daten zu bestimmen, von privaten und öffentlichen Stellen immer wieder missachtet wird. Aber wir alle sind nicht nur diejenigen, über die bestimmt wird. Wir sind es vielfach auch selbst, die auf unserem sozialen Netzwerk Gruppenfotos einstellen, ohne die Abgelichteten vorher zu fragen. Und vielleicht ordnen wir den Fotos sogar noch die passenden Namen zu. Der Respekt vor der informationellen Selbstbestimmung fordert von uns aber, dass wir niemanden in das hineinziehen, was wir selbst als Ausübung unserer informationellen Selbstbestimmung ansehen.“

Und dafür, dass unsere Teilnahme an dem gegenwärtig größten sozialen Netzwerk mehr mit informationeller Fremdbestimmung zu tun hat, als wir alle glauben, liefert der Bericht ebenfalls Belege. Dr. Imke Sommer hierzu: „Solange facebook nicht offenlegt, was mit den unzähligen personenbezogenen Daten auf dieser Plattform passiert, kann sich diese Firma nicht auf rechtswirksame Einwilligungen der Nutzerinnen und Nutzer berufen und können Fanseitenbetreiber ihren gesetzlichen Pflichten nicht genügen!“

Zum Bericht zur Informationsfreiheit sagte die Landesbeauftragte: „Informationsfreiheitsgesetze sind notwendige, aber noch nicht hinreichende Bedingungen für die Transparenz des öffentlichen Bereiches. Auch in Bremen muss noch an vielen Ecken gearbeitet werden, um die gesetzlich geforderte Transparenz herzustellen. Nach dem Willen des Gesetzes müssten beispielsweise im Informationsregister viel mehr Dokumente zu finden sein, als dies gegenwärtig der Fall ist. Das Zeitalter der Transparenz im öffentlichen Bereich in Bremen ist zwar angebrochen. Vom goldenen Abschnitt dieses Zeitalters sind wir aber noch weit entfernt.“

Foto: Senatspressestelle